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LE-Nightflight

Bericht

GO.LEM SYSTEM

Donnerstag, 30. Oktober 2003,
Baumwollspinnerei, Leipzig

Wenn Radio Globalistic und der e.V. ‚Deutsch-Spanische Freundschaft’ ein Latino-Spanisches Reggae-Event präsentieren, ist für den musikinteressierten Freund spanischsprachiger Kultur schon per se ein Pflichttermin gesetzt. Heiße Rhythmen und moderne Sounds auf traditionellen Roots in musikalischer Hochkultur – das ist, was man dann regelmäßig erwarten darf. Der LE-NIGHTFLIGHT war zu dem Konzert von ‚GO.LEM SYSTEM’ in die Baumwollspinnerei eingeladen und vorab mit dem Demo-Album „Viaje – Primer Tramo“ informiert worden.

Wir hielten also voller Spannung und Erwartung die gerade erst erschienene CD in den Händen. Überrascht hatte dann etwas die Hörprobe. Die Scheibe zeigte sich in ihrer Produktion insgesamt etwas glatter, als wir uns das vorgestellt hatten, vielleicht ein bisschen „flach gemischt“. Mit Sicherheit hängt das auch mit dem Verzicht auf ein Schlagzeug zusammen. Der Drumcomputer schafft halt doch immer etwas Sterilität. Dafür verwöhnen federleichte Sounds, bezaubernde Mischungen aus Gitarren, Bläsern, elektronischen Samples. Der Vergleich mit lateinamerikanischen Kollegen ist ohnehin ungerecht, da wir es nicht mit gesellschaftskritischem, aggressiven Ska a la „Panteón Rococó“ zu tun haben, sondern mit Trip-Dub-Reggae aus Barcelona – einer interessanten und modernen Mischung aus Trip Hop, Latin Reggae und Dub. Eine Platte also sehr hübsch, aber doch mehr „so la la“? Immerhin hatten „Golem System“ bei einem Live-Auftritt niemand geringeren als Manu Chao nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Er nahm die Band sogar als Support mit auf Tour und spielte mittlerweile einige Produktionen mit ihnen gemeinsam ein. Auch auf der vorliegenden Scheibe ist Chao verewigt, unerreichbar sein Spiel der Spanischen Gitarre in „See Me Dubbing“! Was sollten wir nun also davon halten? Wir befanden uns erst mal in einem Meinungsbildungsprozess, der durchaus zwischen den einzelnen Redakteuren recht kontrovers verlief. Und so behielten wir die Entscheidung über unsere Meinung zur Materie noch zurück, blieben gespannt auf das Live-Erlebnis.

Zunächst präsentierte ein noch reichlich unerfahrenes aber sehr sympathisches Gitarrenduo (Andres Cardenas, Cuba und Juan Morello, Argentinien) ihre durchaus beachtlichen Eigenkompositionen. Das Publikum nahm die von der kubanischen und argentinischen Folklore beeinflusste und mit elektronischem Background (vom Computer) versehene Musik der Singer/Songwriter mit Freude und Anerkennung auf.

Dann wurde es aber ernst. Jetzt war der Live-Beweis fällig. ‚GO.LEM SYSTEM’ enterten die Bühne und mit den ersten Klängen war es klar – sie hatten gewonnen! Eine hervorragende Live Band spielte druckvoll und energisch ihre eingängigen, schönen und tanzbaren Hits. Nach wie vor muss die Meinung gestattet sein, ein Schlagzeug würde dem Rhythmus und dem Sound mehr Kraft und Lebendigkeit verleihen können. Aber der Drumcomputer soll den treibenden Trip Hop produzieren - so die Philosophie - und man muss es akzeptieren. Satter Gitarrensound wehte dem begeisterten Auditorium um die Ohren, gemixt mit kraftvollen Bläsersätzen und den vom Computer eingespielten Samples und Loops. Jeder einzelne der Jungs beherrscht sein Instrument perfekt. Klar – das ist auch die Grundvoraussetzung, um sich mit dem gnadenlos zählenden Computer arrangieren zu können. Mit einer spritzigen, witzigen Show spielten sie sich in die Herzen ihres Publikums.
Die Latino-Note an ihrer Musik ist nicht zu überhören, auch wenn die Computersounds in Lounge-Stimmung versetzen, die Gitarren-Echos den Kopf massieren und der Reggae-Rhythmus von der Karibik und dem der Wirklichkeit entrückten Nichtstun träumen lässt. (Eine spannungsvolle, interessante Mischung!) Das ist kein Wunder, da die beiden Songschreiber der Truppe (Sänger Aleko und Gitarrist Sergio) vor zwei Jahren aus Buenos Aires, Argentinien nach Barcelona kamen. Mit der Band ‚Golem’ veröffentlichten sie in der Heimat bereits CD’s. In Spanien bauten sie mit ‚GO.LEM SYSTEM’ ein neues Projekt auf, das anfänglich als Straßenmusik funktionierte. Mittlerweile müssen sie sich nicht mehr von der Polizei anpöbeln und bedrohen lassen. Sie spielen auf wichtigen Reggae-Festivals.

Die Geschichte um die Demo-CD erklärten ‚GO.LEM SYSTEM’ in einem Interview und lässt nun schließlich doch den Hut ziehen. Die Platte ist nämlich gewissermaßen ein Lehrstück, ein „Schnellschuss“ und Vorblick auf eine, wie sie selbst sagen „richtige, professionell aufgenommene CD...“. „Wir wollten gleich zu Anfang an was aufnehmen, damit wir unsere Musik unter die Leute bringen können. Wir wollten nicht nur Musik spielen, sondern auch lernen wie man aufnimmt. ... Da es nur sieben Lieder sind, wir alles relativ spontan und improvisiert aufgenommen haben, beschlossen wir, die CD günstig zu verkaufen.“ Dafür und für drei Euro ist sie ohne Diskussion absolut kaufens- und hörenswert. Mancher wäre froh, jemals so ein Werk zustande zu bringen. Nichtsdestotrotz sagt es aber auch, dass es sich ganz besonders lohnen wird, Augen und Ohren für die angekündigte „EL Viaje Entero“ [für „Die Ganze Reise“] offen zu halten!

pepe

 

 

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