Engerling

Freitag, 20. Dezember 2002,
Moritzbastei, Leipzig

Nahezu 30 Jahre sind sie unentwegt, unbeirrt, ungeschlagen unterwegs auf den vornehmlich ostdeutschen Bühnen, zu Beginn als ‚Engerling-Blues-Band’, später als ‚Engerling’ und dürfen damit wohl als eine der erfolgreichsten wie beständigsten Bands in der hiesigen Musiklandschaft angesehen werden. Die Besetzung wechselte einige Male. Mit dabei sind aber nach wie vor der Bandgründer, Texter, Komponist, Sänger und Keyboarder Wolfram (Boddi) Bodag sowie Gitarrist Heiner Witte. Aus dem ehemaligen Sextett ist inzwischen ein Quartett geworden, zudem nun Manfred Pokrandt (Bass) und Vincent Brisach (Drums) gehören.

Was macht den anhaltenden Erfolg der ‚Engerlinge’ aus? Es ist nicht nur die Kontinuität, mit der die examinierten Musiker arbeiten, nicht nur die musikalische Klasse jedes Einzelnen von ihnen, nicht allein die pure Spiellust, mit der sie auf die Bühne gehen und auch nicht allein ihre sympathische Natürlichkeit ohne jedes Star-Gehabe, durch die sie immer glaubhaft bleiben. Die Mischung all dessen führte sie einerseits zu einem sehr unverwechselbaren Stil und lässt sie andererseits vielseitig bleiben.

Genau diese Mischung ist es, die ihnen seit Jahrzehnten ein treues Publikum sichert, von dem man behauptet, es wäre „gar nicht ostalgisch“ und das sich dennoch vornehmlich aus den neuen Bundesländern rekrutiert.

Den Westen müssen sie „durch die Hintertür“ erobern. Im Gespann mit der amerikanischen Blues-Rock-Legende Mitch Ryder gelingt ihnen auch das. Seit 1994 waren sie in diesem Gespann nun schon vier mal auf Tour durch Deutschland, die Schweiz und Österreich und fanden große Anerkennung. Die fünfte Tournee, die sie diesmal auch nach Belgien führen wird, startet Mitte Januar.

Zu keiner Zeit haben sich ‚Engerling’ auf etwas festnageln lassen, was ihre Kreativität und die Entwicklung ihrer Musik eingeschränkt und sie damit auf irgendeine musikalische Schmalspur gebracht hätte. Ihre deutschen Texte sind intelligent, scharfsinnig oder nachdenklich, immer „aus dem Leben gegriffen“, aber niemals banal sondern sehr authentisch, nachvollziehbar, nachempfindbar. Das mag der Grund dafür sein, dass Titel aus den siebziger und achtziger Jahren ihre Aktualität weder durch die Zeit, noch durch die gesellschaftliche Wende eingebüsst haben. Sie gehören ebenso zum Repertoire wie ihre neueren Stücke, Stones Covertitel und Stücke von den mit Mitch Ryder eingespielten Alben.

Und so verlief auch das Konzert in der Moritzbastei ganz, wie man es erwarten durfte. Zu vorgerückter Stunde (21:30 Uhr) stimmte Boddi den Engerling Blues an und rief damit seine Crew auf die Bühne. Ohne großen Zauber ging’s los, wurde Musik gemacht. Ein Stück folgte aufs andere, ohne lange Reden. In eine Bühnenshow wurde keine größere Energie verschwendet. Dafür riss die Spielfreude und der Spaß der Musiker die Fans mit. Rock’n Roll oder Blues-Feeling, jazzige Soli, liedhafte Balladen verschmolzen in Harmonie zu einem erlebnisreichen Konzert. So gesehen bleibt „Ain’t nobody white sing the blues...“ zwar ein ergreifender Blues-Titel von Mitch Ryder, aber eben auch eine fragwürdige Behauptung. Die übervolle Tonne dankte ihren Idolen jedenfalls schreiend, pfeifend, tobend und war längst nicht bereit, ohne Zugabe nach Hause zu gehen. War auch nicht nötig. Aber nach fünf weiteren Stücken, für die Heiner Witte nun auch zur Doppelhalsgitarre gegriffen hatte, war dann endgültig Schluss. Die Musiker verabschiedeten sich nach und nach von der Bühne, bis als Letzter Vincent Brisach sein Schlagzeug verließ.

Gerade zum Start der diesjährigen Mitch-Rider-Tour erschienen ist die Live-CD ‚The Old Man Springs A Boner’ (BushFunk) mit Aufnahmen der Mitch Ryder Tour 2002, welche die herausragenden Qualitäten der ‚Engerlinge’ als Begleitband überzeugend dokumentiert. Eine Scheibe, die in einer gut sortierten Sammlung nicht fehlen sollte. Energetischer und melodiöser Bluesrock in handwerklich hervorragender Qualität. Überraschend ist vor allem wie unverkrampft modern die neuen Songs klingen ohne ihre Wurzeln aus den 60ern zu verleugnen. Neben der besonderen souligen Stimme Mitch Rider’s ist die Gitarrenarbeit von Heiner Witte und Gastgitarrist Robert Gillespie auch im internationalen Maßstab gesehen Spitzenklasse. Klischees, wie sie gerade in diesem Genre zu oft dargeboten werden, fehlen jedoch auf dieser Platte völlig und machen sie so auch dadurch besonders empfehlenswert. Die gut eingespielte Band zeigt, dass die Weiterentwicklung innerhalb des Genre auch funktioniert ohne ständig die Retro-Attitüde zu bemühen. Alles äußerst musikalisch. Auf der Genussskala ganz oben.

Tourtermine der Mitch-Ryder-Tour gibt es leider nicht in näherer Umgebung von Leipzig. Darum hier nur ein paar ausgewählte Termine, der Weg lohnt sich in jedem Fall:

 

19.01.03 Dresden/Zeitgeist

21.01.03 Berlin/Kesselhaus

23.01.03 Magdeburg/Feuerwache

14.02.03 Plauen/Malzhaus

 

weitere Termine unter: www.engerling .de/www.mitchryder.de

 

pepe/flo