City

Sonntag, 22. Dezember 2002,
Anker, Leipzig

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Eine angemessene Party haben sie gegeben. Schließlich hatten sie ihren dreißigsten zu feiern. Und diese dreißig Jahre waren außerordentlich erfolgreiche, wenn auch zuweilen sehr turbulente.

Auf den Tag genau einundzwanzig Jahre ist es her, da stand ‚City’ vorerst zum definitiv letzten Mal als ‚City’ auf der Bühne, auch wenn das begeistert tobende Publikum in Suhl davon noch nichts ahnen konnte. Aber das gehört auch zur Professionalität, für die ‚City’ bekannt ist, durchdachte Bühnenkonzepte, perfekte Lichtshow, die beste Technik, die irgendwie zu haben ist und eben ein ausgezeichnetes Konzert, trotz interner Grabenkämpfe. Denn auf der Bühne „da zählen nicht die privaten Dinger“ (Originalton Giorgio Gogow). Dennoch, die Positionen waren zu gegensätzlich, die Band zerbrach.

Nach langen, Auseinandersetzungen erhielt dann die Rumpf-Band, bestehend aus Fritz Puppel, Toni Krahl, Klaus Selmke und Manfred Hennig die offizielle Berechtigung, den Namen ‚City’ weiter zu führen. Praktisch waren sie durch ihre Fans bereits dazu legitimiert worden. „Hier spielt ‚City’! Wer’s nicht glaubt, kann ja gehen.“ (Toni Krahl zum 6. Interpretenwettbewerb März 1982 im damaligen Karl-Marx-Stadt.) Es ging niemand, der Auftritt wurde ein großer Erfolg.

Der Beginn der neunziger Jahre brachte dann neue Turbulenzen. Nach dem Ausstieg von Klaus Selmke und Manfred Hennig hielten nur noch Fritz Puppel und Toni Krahl an City fest, mit viel Ausdauer und auch mit viel Herzblut.

Lichtblitze zucken quer über die Bühne, die im blau-weißen Nebel versinkt. Mit „Halb und Halb“ beginnt ‚City’ ohne Umschweife das Konzert, das letzte im Jubiläumsjahr 2002, gewidmet der Text-Autorin ihres legendären Erfolgstitels „Am Fenster“. Denn der Erlös des Abends wurde zur Hälfte der Leipziger Stadtbibliothek für den Ankauf des Nachlasses der Dichterin Hildegard Maria Rauchfuß versprochen.

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Die Band, die dank der Hartnäckigkeit von Fritz und Toni seit 1995 endlich wieder komplett ist, und von der man sich an diesem Abend nicht wirklich vorstellen konnte, dass sie je anders als in diesem Line Up – Puppel, Selmke, Hennig, Krahl, Gogow - bestehen konnte, wurde vom Publikum großartig empfangen. Die folgenden Stunden wurden zum Fest, das ‚City’ für und mit ihren Fans feierten. Konnten sie sich doch in den zurückliegenden Jahrzehnten immer gegenseitig aufeinander verlassen. Trotz innerer Unstetigkeiten blieb ‚City’ für sein Publikum immer eine berechenbare Konstante. Die Texte, für viele zeichnet Toni Krahl verantwortlich, haben nicht nur eine große poetische Kraft, sondern sind eine Auseinandersetzung mit dem ganz normalen Alltag, mit seinen Spannungen, Freuden und Enttäuschungen, sind Fragen, Antworten oder Provokationen, durch die Zuhörer nicht nur nachvollziehbar, sondern bekannt aus dem eigenen Erleben. Dafür trifft man auf ihren Konzerten wenn auch nicht ausschließlich aber gerade auch die Generation, die schon die Coverversionen der ‚City Band Berlin’ von Santana- oder Rolling Stones-Songs erlebte. Diese Generation ist mit ‚City’ durch die Jahre geflogen, älter geworden und ihrer Band zu jeder Zeit treu geblieben. ‚City’ steht eben zuverlässig auch für eine Geisteshaltung, für Standpunkte, für grundlegende Werte, die verschiedene Zeiten überdauern.

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Doch trotz der Sinntiefe ihrer Texte ist nie der erhobenen Zeigefinger zu befürchten, keine Belehrungen oder Betroffenheitslyrik! Und weil Humor eben etwas anderes ist, als Klamauk, war dieses Konzert eines voller Humor und Witz. Zum Beispiel als Toni Krahl mit Clownsmine Bonbons in die Massen warf und sagte „Klaus hat Geburtstag. Und ihr werdet ihm ein Lied singen.“, was das Publikum mit Begeisterung tat. Oder als Konfetti und Papierschlangen begleitet von einem großen Knall über den Köpfen der Leute hernieder gingen. Auch hat es sich Toni angewöhnt, sein Publikum zu fotografieren. „Damit ihr nicht später behaupten könnt, bei ‚City’ sind wir nie gewesen.“ Für den Fall, dass es mal wieder „andersrum kommt“.

Die inklusive der Lichteffekte ausgeklügelte Bühnenshow, traditionell ist Toni Krahl für sie verantwortlich, verlief in hohem Tempo. Mit vielen Ideen und Effekten wurde Abwechslung und Bewegung erzeugt, Spannung aufgebaut. Immer wieder drängten die Musiker vor an den Bühnenrand, so nah an ihr Publikum ran, wie es eben ging. Oder es zeichnete sich nur das Profil von Fritz mit Doppelhalsgitarre im blauen, nebelverhangenen Licht ab. Zwei Tischfeuerwerke leiteten dramatisch den Titel „Dünnes Eis“ ein. Zum Orgelsound von Manne wurden sphärische, schrille, Klänge gesampelt. „Wir fühlen uns gut, weil es immer so war,...“ sang Toni, „...doch morgen kann das alles ganz anders sein. Denn morgen ist das, was man heute nicht weiß.“ Selbstsicher, selbstzufrieden bewegt man sich eben schnell auch auf dünnes Eis!

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Die Titel des aktuellen Albums „Am Fenster 2“ knüpfen in ihrer Qualität und ihrer inhaltlichen Tiefe an alte ‚City’-Traditionen an. Kein Wunder steuerten auch Walter Karma und Alfred Roesler wieder einige Texte bei. Musikalisch passiert, was man von ‚City’ erwarten darf, packender Rock, schöne Hooks, kraftvolle Melodien, satter Sound.

Und so kombinierten sie ohne Mühe ihre Hits aus den Achtzigern mit denen der Neunziger Jahre und den brandaktuellen Songs und begaben sich ohne jeden Bruch auf eine „Zeitreise in die Siebziger Jahre“. Mehr als zwanzig Hits spielten sie an diesem Abend, darunter „Mir wird kalt dabei“, „Meister aller Klassen“, „Berlin“, „Berlin 2“.

Ein besonderes Erlebnis war dabei wieder mal die Inszenierung von „Glastraum“. In seinem Albtraum kämpft Toni Krahl erfolglos gegen die gläsernen Wände der Folie, unter der er gefangen ist. Im weißen Lichtkegel steht er. Der Rest der Bühne versinkt im Dunkel. Zäh und ohnmächtig fließt sein Gesang. „Und es wuchs der Haß.“ Doch als er die gläsernen Wände einschlug, zerbrach er auch selbst daran.

„Am Fenster“ durfte auf gar keinen Fall fehlen. Spätestens jetzt war Giorgios Stunde gekommen, der natürlich in etlichen Bass- und Geigen-Soli bereits brilliert und die Herzen des Publikums längst in der Tasche hatte. Hier ließ er noch mal die Geige zwitschern und schnalzen. Die Fans feierten ihn dafür gebührend.

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Toni Krahl verabschiedete sich schon mal schelmisch mit den Worten „Wenn ihr nach Hause kommt, bestellt einen schönen Gruß!“ und ließ den Geiger den Zugabenteil eröffnen. Nach etlichen weiteren Titeln, wobei „Casablanca“ den krönenden Abschluß bildete, wurde mit einem großartigen Trommelwirbel von Klaus Selmke und schrillen Orgelsounds von Manne Hennig der Schlusspunkt gesetzt.

pepe