Roger Chapman

27. Juli 2002 Anker

 

Eine große Chance bekamen und nutzen die Rockland Riders, die “Ziehkinder” des Rockland Radios, als Vorband für Roger Chapman, der auf seiner Rollin & Tumblin – Tour am 27.07.02 im Anker Leipzig gastierte.

Mit großem Sound und starker Stimme brachten sie eingängige Rocktitel, zum Teil eigene, zum Teil Coversongs, auf die Bühne. Dabei harmonierten Bass und Schlagzeug gut und sorgten für packenden Groove. Trotz dem Bemühen um die Nähe zum Publikum blieb aber bis zum Schluss eine Distanz, eine unterkühlte Atmosphäre, deren Ursache in der etwas zu coolen, zu affektierten Show und in zuviel Effekthascherei lag. Der Sänger bewies eine kraftvolle Stimme, auch in den hohen Lagen. Dennoch wäre es von Vorteil gewesen, er hätte in einigen Titeln gelegentlich Unterstützung durch kompakten Satzgesang erhalten. Doch der Backgroundchor war nicht sehr durchsetzungsfähig, teilweise gar nicht erst präsent. Damit blieben wichtige Stellen flach und hinterließen trotz Härte wenig Eindruck. Gerechterweise muss aber festgestellt werden, dass die Rockland Riders eine professionelle und stimmige Performance ablieferten und als Showband ordentliche Qualitäten zeigten.

Mit Roger Chapman und ‚The Short List’ kamen nun fünf Vollblutmusiker auf die Bühne und erfüllten alles, was an Wünschen bis dahin noch offen geblieben war. Mit riesiger Spielfreude und viel Humor wurde das Publikum ab sofort unter Strom gesetzt und die Stimmung stetig angeheizt. Der Saal war schlagartig gefüllt und die begeisterte Menge rückte schnell bis zum Bühnenrand vor, um ihrem großen Guru und seiner Mannschaft zu huldigen. Es heißt, Chapmans Fangemeinde sei die treueste. Diese hier hatte auch altersmäßig die Chance, ihm schon seit mehreren Jahrzehnten die Treue zu beweisen. Und so herrschte vom ersten Augenblick an Einvernehmen auf beiden Seiten. Nichts war erklärungsbedürftig, man erkannte sich sofort und gehörte zusammen.

Die Karriere einer der bedeutendsten britischen Rockstimmen verlief seit den Sechzigern bis heute gewöhnlich immer ein Stück neben dem Mainstream, daher nicht zu allen Zeiten im schillernden Licht. Dass Roger Chapman jedoch ganz zurecht in der selben Liga wie etwa Joe Cocker oder Phil Collins einzuordnen ist, stellte er auch im Anker klar. Er ist nach über dreißig Jahren immer noch präsent, immer noch ernst zu nehmen. Anders als einige seiner Berufskollegen im gleichen Alter wirkt er noch längst nicht satt und zufrieden. Hier wird Musik gemacht. Für Halbherzigkeit ist kein Platz. Wenn diesmal auch keine Tambourrains verschlissen wurden, so mussten in einem Fort durchgeschwitzte Hemden und Shirts gewechselt werden. Chapman gab von sich alles. Die Show wurde nicht gemacht, sie passierte. Keine Frage mehr, warum ihm seine Fans so verbunden sind, er ist ihnen verbunden. Glaubhafter und intensiver geht’s nicht. Auf seine Weise konnte er sich auch problemlos zwischen Funk-Rock, Pop, Blues, Country bewegen, ohne das diese bunte Mischung je an Spannung und Geschlossenheit eingebüßt hätte. Mit seiner unverwechselbaren Stimme, dem außergewöhnlichen Timbre und einem guten Schuss Soul präsentierte er gut bekannte eigene Titel (u.a. ‚No Mule’s Fool’, ‚Kiss my Soul’, ‚Prisoner’) sowie Klassiker von Chuck Berry (‚Downbound train’) oder den Everly Brothers (‚Bye, Bye Love’) und natürlich auch seinen großen Erfolgshit aus den Achzigern, Mike Oldfields ‚Shadows on the wall’. Jeder einzelne Song wurde intensiv und von der Musik beseelt, ganz speziell interpretiert. Im Duett mit Steve Simpson, der mit seiner tiefen und sonoren Bassstimme begeisterte, sang Chapman zum Beispiel das im Original fast beschwingte ‚Bye, Bye Love’ ungewohnt getragen, ruhig, ohne jeden Pathos und dennoch berührend.

Der starke Sound war geprägt von jeder Menge akustischer Instrumente. Mit zwölfseitiger Gitarre, Mandoline, Geige, für sie alle war Steve Simpson verantwortlich, wurde das Konzert dennoch keineswegs zur Folk-Veranstaltung. Die Rock-Legende Chappo rockt & rollt auch im Jahr 2002 noch mit Leidenschaft. Für den passenden Groove sorgten Garry Twigg (Bassgitarre/Percussion) und Geoff Dunn (Drums/Percussion). Sie spielten druckvoll aber nahmen sich dennoch neben den Melodieinstrumenten, zu denen auch Saxophon (Pat Crumley), Piano und Orgel (Ian Gibbons) gehörten, nicht zu wichtig. Insgesamt entstand ein einzigartiger Klangteppich, satt doch keineswegs überladen. Jede Stimme hatte ihre Bedeutung und war erlebbar.

Nach einem gelungenen Konzert und umfangreichen Zugaben ließen sich die Musiker geschickt einen Abgesang bereiten. Sie Stimmten noch einmal ‚Shadows on the wall’ an und die Fans skandierten bereitwillig a cappella zum Abmarsch der Meister.

Dem stetigen Engagement des Anker e.V. ist es zu verdanken, dass nach Alvin Lee und Alphaville mit Roger Chapman und ‚The Short List’ ein weiteres Mal erstklassige Musik von Weltrang zu hören war.

 

Everybody is on the short list.   pepe