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LE-Nightflight

Bericht

Boing.

Record Release Party

supp. Zombie Joe

Samstag, 19. Juli 2003, Tangofabrik Leipzig

Boing.

Es gab Zeiten, da sind sie unbefangener auf die Bühne getreten. Da standen sie dort und waren auch schon die Gewinner, räumten auf diese Weise sämtliche Preise ab. 2001 gewannen sie beim „Kickstart-Festival“ in Halle und belegten ebenfalls den 1. Platz beim „Rock Open L.E.“ in Leipzig. 2002 waren sie die Sieger beim 4. Jugendfestival im Leipziger Anker. Der große Preis 2002 ging im Januar diesen Jahres an sie. Ihr Crossover Rock, Punk und die anfänglich deutschen, scharfsinnigen, kritischen und vielseitigen Texte begeisterten sofort ihr Publikum. Zumal schon immer jedes ihrer Konzerte eine enthusiastische, kreative Show war, in der sich Frontmann Marvin Endt in all seinen Talenten entfaltete.

Am 19.07.2003 hatten sie nun etwas Großes zu feiern. Die Release ihres ersten Albums. Da sollte alles richtig gemacht werden. Seit Anfang des Jahres hatte man sich bereits einem professionellen Management anvertraut, überarbeitete die Website und auch das eigene Image. Mittlerweile geht man mit englischen Texten auf die Bühne. Und aus der Band mit dem unaussprechlichen Namen „Boing Agru.... irgendwie na Du weißt schon“, die Band, die man eben kannte, ist nun, nachdem wir alle fleißig geübt hatten und wussten, dass es „Boing Agrupapulci“ zu heißen hatte, ganz unspektakulär „Boing.“ geworden.

Boing.

Für ihr erstes Album „All That Counts Somehow“ sind sie ins Leipziger Akzent Tonstudio gegangen und luden den Geiger Ralph Hüfner ein. Die Musik ist sowieso der Hammer, die Interpretationen von Marv zwischen expressivem Schreien und lustvollem oder sehnsüchtigem Flüstern auch. Nun brauchte man noch ein Cover, das anders war, etwas unerwartetes, etwas was der Exklusivität des Inhaltes gerecht wurde. Dafür engagierte man den Leipziger Künstler Ralph Niese und erhielt eine, zeichnerische Gestaltung im Comic-Stil, die dem Geist und der Tiefe der Texte entspricht.

All that what counts somehow sind zum Beispiel spielende Kinder, verliebte Pärchen, Leute die Musik machen, Menschen, die dem Egoismus und der Machtgeilheit und der Gefahr von Umweltzerstörung und Krieg nur ihre jugendliche Freude am Leben entgegenzustellen haben. Dafür singen ‚Boing.’ wenn sie in ihren engagierten Texten gegen verlogene, egoistische Leute, gegen einen Präsidenten singen, dessen Krieg um Öl sie nicht wollen. Nach oben kriecht man, indem man die Zweifel löscht und aufhört, nach der Wahrheit zu suchen. Die tägliche Injektion durch das System hält am Leben und die Masse ruhig. Das Lächeln dazu ist so beständig wie die ewig scheinende Sonne. „Turn my hate up. Drive me mad.” Heißt es sarkastisch in „Worm Up“. Doch „Vertrauen ist ein Geschenk.“ „Ideale sind Geschenke, Brutalität kann sie nicht wegspülen.“ Und wenn die eigenen Kräfte nicht ausreichen, das System zu ändern, die Welt zu verbessern, gibt es Trost nur in der Liebe, in der Kraft des Partners. „We all need someone who hold us tight/ we all need someone to set us right…”.

Boing.

Keine Klagelieder sind das. Die intensive Musik ist voller Energie und Wut. Untereinander wie auch in sich sind die Titel abwechslungsreich und vielschichtig. Nachdenklichkeit wechselt spontan mit druckvollem, hammerharten Rock oder schrägen Punk Parts. Äußerst sparsam und gut platziert setzen sie diesmal auch elektronische Effekte ein. Ein gekonnter Crossover über alle Genres. Marvin schreit, flüstert, weint, interpretiert mit affektiertem Akzent und steckt in allen seinen Rollen zu einhundertfünfzig Prozent. Lediglich am Mix der Platte würde man gern die eine oder andere Kleinigkeit ändern, bestimmte Stellen prägnanter machen. So könnten zum Beispiel Gesang und Backgroundgesang in „Miss Take“ kompakter erscheinen. Dafür wirkt der Chor in „Worm Up“ konturlos und der Sound insgesamt sehr mulmig.

Zombie Joe

In der Tangofabrik sollte nun also dieses langersehnte Meisterwerk gefeiert werden. Dafür ließ man die Räumlichkeit kunstvoll vom Kulturpark West e.V. ausgestalten. Die Eintrittskarten, keine billigen Papierschnipsel, waren über die bekannten Vorverkaufsstellen zu beziehen gewesen. Bei Freibier warteten nun die zahlreich erschienenen Gäste, unter die sich ein freundlicher Clown mischte, der später noch einige akrobatische Kunststücke vollführte. Die Bandmitglieder flitzten von rechts nach links, begrüßten hier und da. Spannung lag in der Luft. Jeder erwartete Großes.

Endlich begannen ‚Zombie Joe’ aus Halle nach ein paar begrüßenden Worten von Alex Huth (Sputnik) und Sebastian Krumbiegel (‚Die Prinzen’) das Vorprogramm und erwiesen sich mit ihrem deutschen Punkrock und einer expressiven Bühnenshow ihrer Rolle als Einheizer sehr würdig. Die zweitplatzierten beim f6 Award 1999 rockten den Laden mit fettem Sound von Gitarre und Bass. Ihr exzentrischer Frontmann, geschminkt und im Netzshirt, trat und schmiss den Mikroständer, dass man Angst um die übrigen Bandmitglieder hatte. Oder er wand und rekelte sich um selbigen wie ein Narziss.

Nach einer unabdingbaren Zugabe und einer kurzen Umbaupause kamen nun endlich ‚Boing.’ auf die mit einer aufwendigen Traversenkonstruktion umrahmte Bühne und los ging das Spektakel.

Zombie Joe
Doch wie es häufig ist, wenn Dinge sehr aufwendig vorbereitet werden, damit alles hundertfünfzigprozentig läuft, fehlte plötzlich vor lauter Anspannung die Lockerheit und unbelastete Spielfreude, mit der sie sonst im Handumdrehen ihr Publikum im Griff haben. Musikalisch war wieder alles perfekt. Marv verausgabte sich wie gewohnt, sichtlich schweißtreibend. Der obligatorische Kopfstand fehlte nicht. Und doch hatten sie schon konzentrierter heißere Shows geboten, Konzerte, die von der ersten bis zur letzten Minute mitrissen und die Stimmung zum Kochen brachten. Auch die Lichtshow war trotz der vielen Scheinwerfer nicht gerade sensationell. Unglücklicherweise fiel gleich am Anfang auch noch das Gesangsmikrophon aus. Professionell begann die Band die Situation improvisierend zu retten. Ihr Frontmann versuchte die gute Laune zu bewahren. Doch je länger seine Misere andauerte und je deutlicher wurde, dass der Techniker erst kein neues Mikro, dann nicht das passende Kabel dazu und überhaupt die Situation nicht ganz im Griff hatte, verging ihm sichtbar der Mut. Dieses länger währende Vorkommnis strapazierte natürlich zusätzlich die Nerven. Nun war’s wohl mit der Lockerheit endgültig vorbei und die Enttäuschung stand Marvin Endt ins Gesicht geschrieben. An den Kongas, mit dem Rücken zum Publikum versuchte er nicht nur Zeit zu überbrücken, sondern nutzte wohl auch die Gelegenheit, sich selber wieder zu sammeln. Irgendwann, nachdem Marv einige Titel an der kurzen Leine (mit dem Mikrophon des Gitarristen) überstanden hatte, gab es dann doch noch den passenden Ersatz. Die Show war insofern gerettet. Schade eben nur, dass es nun auch nicht mehr so zündete, wie es verwöhnte Kenner der Band gewöhnt sind, und es noch bis zum Zugabenteil dauerte, ehe die Musiker wieder ganz gelöst und in alter Form erschienen.
Boing.

An dieser Stelle bleibt der Wunsch, dass sich Marv mittlerweile mit seinem Techniker, den er am Ende dieses Abends gerade nicht ganz so gut leiden konnte, wieder ausgesöhnt hat und alle folgenden Konzerte in gewohnter Qualität abgehen können. Andernfalls gibt es nun eine sehens- und hörenswerte CD zu erwerben, die, wie man es von ‚Boing.’ kennt, mit jedem Hören neue Facetten entdecken lässt.

In diesem Sinne Enjoy Boing!

pepe

 

 

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