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LE-Nightflight

Bericht

27. Leipziger Jazztage

John Surman & Pierre Favre /

tranc.ition mit Andreas Großkopf

10.10.2003, Oper/Telegraph, Leipzig

Als besonderes Highlight der 27. Leipziger Jazztage war das Duo John Surman und Albert Mangelsdorff angekündigt. Unglücklicherweise konnte der Weltklasse-Posaunist verletzungsbedingt nicht anreisen. Für ihn trat der Schlagzeuger Pierre Favre an die Seite des Saxophonisten.

Die beiden Musiker, Jahrgang 1944 bzw. 1937, haben bereits in den achtziger Jahren zusammengearbeitet und damals das gemeinsame Album „Such Winters Of Memory“ veröffentlicht. Zur Entwicklung eines modernen, europäischen Jazz und zur Erweiterung dessen Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten haben sie im Laufe ihrer Karrieren beide viel beigetragen. John Surman ist ein ebenso vielseitiger wie neugieriger Instrumentalist. In Leipzig kam er mit Baritonsaxophon, Sopransaxophon, Bassklarinette und Synthesizer auf die Opernbühne. Auf der Suche nach neuen, unerwarteten Klängen, kombiniert er seine experimentellen Improvisationen auch mit elektronischen Sounds. Pierre Favre sucht auf seine Weise beständig ähnliches an Schlagzeug und Percussion. Schon daher konnte man auf einen wegweisenden Lichtblick gespannt sein.

Mit technischer Brillanz und offensichtlichem Spaß, mit vor Ideen übersprudelnden aber doch recht etüdeartigen Improvisationen, brachten zwei routinierte Jazzer ihre gesammelten Erfahrungen als Kompaktausgabe auf die Bühne. Auch mit allerlei unkonventionellem Werkzeug ausgestattet, schuf der Schlagzeuger ein vielfältiges Klangerlebnis und interessante Rhythmen, wenn auch nicht gerade große Stimmungen. Er gab den Jazzexperimenten den Drive und stand immer in hervorragender Kommunikation mit Surman.

Ihr temperamentvolles Ereifern wirkte zwar locker und perfekt, aber dennoch sehr bemüht. Der makellose aber auch sehr abgeklärte Vortrag ließ Atmosphäre vermissen und hinterließ schließlich nicht ganz den erwarteten Aha-Effekt, verdient aber dennoch vollen Respekt und Bewunderung.

In der Bar International im Telegraph hatte das Nachtprogramm derweil schon begonnen. Und die nun zum Dittrichring strebenden Nighthawks konnten sich auf jungen, anregenden Jazz zwischen Ambient, Drum’n Bass und Funk freuen. Das von Andreas Grosskkopf soeben neu gegründete Projekt „Tranc.ition“ mit Angela Gabriel (Gesang), Hakim Ludin (Percussion) und DJ Raphneck (Turntables, Didgeridoo) versprach musikalische Qualitäten, Virtuosität, moderne, kreative Sounds.

Es gibt in Leipzig eine junge Szene, die sich mit Funk und Jazz beschäftigt und dabei in kreativster und originellster Weise moderne Stile, Sounds und elektronische Effekte vermischt. Sie spielen mit Jazz-Rock, Drum’n Bass, HipHop, Soul, Ambient und schaffen auf der Grundlage solider Traditionen zeitgemäße, atmosphärische Musik. Diesem Dunstkreis ist auch Andreas Grosskopf entstiegen, der schon mit dem Jazz-Rock-Funk Projekt ‚Grosskopf’, mit ‚Scrooge’ (Jazz-Rock) oder ‚MSP’ (Drum’n Bass-Ambient) auch international erfolgreich war.

Aus selbem Dunstkreis ist auch DJ Raphneck gut bekannt und steht für erstklassische Soundsamples, für DJ-Performance mit Live-Improvisation. Er legt als Dauergast an den Soundaggregaten der Distillery auf und ist durch sein ‚Style Confusion Soundsystem’ in bester Erinnerung.

In diese Richtung gingen auch die Vorstellungen über ‚Tranc.ition’. Die Wurzeln waren die gleichen und die Besetzung ähnlich. Auch Didgeridoo hat es bei ‚Style Confusion Soundsystem’ schon gegeben und mit Juliane Wilde eine sensibel und klar wie soulig und jazzig singende junge Frontfrau. Solches Können und Feeling war auch bei Angela Gabriel vorauszusetzen. Die Querflötistin und Jazzsängerin kam mit den besten Referenzen nach Leipzig. Neben ihrem Mitwirken in verschiedenen Berliner Jazzformationen arbeitete sie unter anderem schon mit Jean-Paul Bourelly. Doch mit den hohen Erwartungen konnte das Projekt nicht ganz mithalten.

Das Saxophon übernahm einen weniger spektakulären Part und begleitete zurückhaltend. Der DJ mischte ebenso vorsichtig seine Soundsamples. Später gestalteten die beiden noch einen der Höhepunkte des Abends mit Saxophon und Didgeridoo im Duett. Hakim Ludin agierte im Hintergrund mit den verschiedensten Perkussionselementen. Für sein Solostück, das er auf der südindischen Tabla begann und auf den Bongos beendete, erntete er verdient tosenden Applaus. Zart und sauber sang Angela Gabriel. Doch bei allem Bemühen um Leichtigkeit, um Club-Atmosphäre blieb im Telegraph eine Kühle, schien die Sache noch etwas unausgegoren. Die Beteiligten blieben zu sehr auf ihren Part fixiert. Zur Synthese fehlte stärkere Verständigung, Dialog, der Austausch. Am deutlichsten waren die textlichen Unsicherheiten der Sängerin. Insofern hätte es einen positiven Effekt gehabt, wäre der Ständer mit den Textblättern entbehrlich gewesen. Auch optisch hätte man sich mehr Interaktion zwischen den Musikern gewünscht. Zudem enttäuschte auch der schlechte Sound im Telegraph. Der Raum verschluckte jede Atmosphäre im Ansatz.

Nach einem noch nicht ganz zufriedenstellenden Abend sollte es sich jedoch lohnen, die Entwicklung von ‚Tranc.ition’ weiter zu verfolgen. Am Können, der Kreativität und den Ambitionen der Musiker besteht kein Zweifel.

pepe

 

 

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