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Peter Wassiljewski & Das Leschenko-Orchester Freitag, 26. Dezember 2003, | ||||||
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Tangofabrik Ende 2003, Lomonossow, Mendelejew
und Pratajew gaben sich neben einer Reihe weiterer altehrwürdiger und
längst verstorbener russischer Herren die Ehre und begeisterten als
Mitglieder des Leschenko-Orchesters mit russischem Tango der 30er
Jahre. Das ungewöhnliche Comeback hatte sich wohl für alle gelohnt,
denn das Publikum dankte den Einsatz mit begeisterten Applaus und
forderte trampelnd Zugaben. Es war ein Abend der großen Geste, der Pathetik, voller überschwänglichem Gefühls, Trauer, Glück, Melancholie. Leidenschaftlicher, dramatischer hätten wohl nur die russischen Emigranten dieser Zeit selbst ihren Tango präsentieren können. Aber das wird nichts mehr. Und so nahm es Peter Wassiljewski in die Hand, im Sommer diesen Jahres ein Orchester aus hervorragend ausgebildeten Musikern mit ebensolchen Referenzen zu formieren, um an die Musikkultur einer glamourösen, bewegten wie schmerzhaften Zeit zu erinnern. Durch seine russische Abstammung väterlicherseits im Besonderen dazu legitimiert wie gleichsam befähigt, interpretierte er die Gassenhauer jener Zeit mit leidenschaftlichem Pathos und russischer Seele als Sänger, natürlich in Russisch. |
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Die sehnsuchtsvollen, mal schwermütigen, meistens aber schwungvollen Songs russischer und jüdischer Komponisten, die Zigeunermusik und die Schlager, die Pjotr Konstantinowitsch Leschenkow aufführte, haben ihren Interpreten in den dreißiger bis fünfziger Jahren zu unvergleichlicher Popularität verholfen, bevor dieser 1954 in einem Lagerlazarett in Rumänien starb. Seinen Input sog der vielseitige Künstler und Besitzer eines Bukarester Nachtlokals nicht nur aus der Folklore und aus dem Musikgeschmack seiner Zeit, sondern auch aus den kleinen und größeren Dramen des alltäglichen Lebens. Und die kannte er, der russische Emigrant, der dem kommunistischen Regime seiner Heimat nicht geheuer schien, gut. Mit seiner Musik war Leschenko bereits durch ganz Europa, Asien und Afrika getourt, hatte Weltruhm erlangt und galt als „König des russischen Tangos“. In die Heimat mussten seine Platten eingeschmuggelt und heimlich verkauft werden. | ||||||
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Das Leschenko-Orchester 2003 ließ seine Hits stilecht wiedererklingen und erinnerte an einen bemerkenswerten Musiker und an eine aufregende Zeit voller Reichtum, Glamour, wie auch voller Elend und Trauer. ‚Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt’, man sagt diese Neigung den Russen nach. In der Tangofabrik konnte man es nachempfinden. | ||||||
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Stilvoll waren die Gäste an kleinen Tischen platziert. Kerzen und Wein gehörten zum Ambiente. Einige der Damen hatten sich einschlägig geschmückt mit entsprechenden Roben, Stolen, Handschuhen und ähnlichen Accessoires. Ein bisschen steif wirkte anfänglich die Atmosphäre und passte noch nicht so richtig zur temperamentvollen Musik, die Lebensfreude und Überschwang suggerierte. Doch ein paar Titel genügten, um das Publikum aufzuheizen, um Unruhe auf den Sitzplätzen zu stiften. Und spätestens als das „hauseigene Akkordeon Orchester – The Valeri-Brothers“ ihren stimmungsvollen Part im Zuschauerraum absolvierten, Peter Wassiljewsky mit den Violinistinnen dazu tanzte und die Szenerie an ein jüdisches Familienfest erinnerte, war der letzte Bann gebrochen. |
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Tango, Foxtrott, Tscha Tscha Tscha beherrschten den Abend. Aber immer wieder traten die einzelnen Musiker solistisch hervor mit jüdischen oder Zigeunerweisen auf der Violine, der Klarinette oder dem Akkordeon. Ein sehr getragenes, romantisches Piano-Solo leitete gleich zu Beginn des Abends ein folgendes Instrumentalstück ein, in dem die einzelnen Bandmitglieder jeweils ihre Gelegenheit erhielten, sich vorzustellen. Gespielt wurde es von Anja Schmidt, die nach ihrem Musikstudium in Weimar ein Zusatzstudium Tango Argentino in Rotterdam angeschlossen hatte, während dessen sie im dortigen Tangoorchester OTRA mitwirkte. Die wichtigsten Geigensoli übernahm Christian Pechstädt mit ungeheuer weicher und sensibler Spielweise und großer Intensität. Das einstige Mitglied im Berliner Sinfonie-Orchester definierte seinen Weg in der Musik außerhalb klassischer Zwänge neu, unter anderem in verschiedenen Swing- und Jazzformationen. Die hinreißenden Klarinettensoli, spielte mit entsprechendem jiddischen Schmelz der Klarinettist und Saxophonist Henning Plankl. Der vielseitige Blasinstrumentalist arbeitet auch für verschiedene Theater- und Rundfunkproduktionen, spielt im LeipJAZZig-Orkester und ist Mitglied bei Cäsar’s Spielern. Im Trio mit Anja Schmidt und Valeri Funkner bildete er auch das Akkordeon-Orchester. Der in der Ukraine geborene Funkner, Komponist, Arrangeur, und gefragter Studiomusiker gründete unter anderem mit Anja Schmidt 1998 das Quinteto Tango Nuevo, das sich dem argentinischen Tango widmet. | ||||||
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Zur Band gehören weiterhin der Kontrabassist Matthias Buchholz (Der Mitbegründer und Leiter der Musikwerkstatt Leipzig wirkte bereits bei etlichen Rundfunk- und CD-Produktionen mit.), der Tontechniker und Studiomusiker, Gitarrist Thomas Hannig, die Geigerin Cornelia Plänitz (Wie Henning Plankl ist sie bei Cäsar’s Spielern engagiert. Mit Peter Wassiljewski war sie 2001 am Jubiläumskonzert zum 25 Jährigen Bestehen der Bierfiedler beteiligt, deren Mitglied sie viele Jahre war.) sowie die junge Geigerin Yumiko Tsubaki, die schon einige Konzertreisen durch das In- und Ausland führten. | ||||||
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Mit großem Können, Professionalität und Spielfreude gestaltete das erst im Sommer gegründete Orchester einen wundervollen, interessanten und anregenden Abend mit der populären Musik jener dreißiger Jahre. Lediglich eine optisch etwas aufgeräumtere Bühne und ein differenzierterer Scheinwerfereinsatz könnten die Show einprägsamer machen. Schade, dass ihre Deutschlandpremiere, die für Peter Wassiljewski und sein Leschenko-Orchester in der Tangofabrik zum riesigen Erfolg wurde, vorerst das erste und letzte Konzert zu sein scheint. Da kann man nur hoffen und wünschen, dass unter www.leschenko-orchester.de bald noch viele weitere Termine bekannt gegeben werden. pepe
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