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LE-Nightflight

Bericht

Rebekka Bakken

- Strings Of Fire -

Samstag 20.03.2004, Gewandhaus, Leipzig

Im Rahmen des vierten „Strings Of Fire“ war sie wieder mal zu Gast in Leipzig. Vom Moderator als „the beauty of the night” angekündigt, kam die nordische Schönheit in schwarz gekleidet und bezauberte mit ihrer einzigartigen Ausstrahlung und ihrem unglaublich schönen Gesang. Für den Moment eines Tagtraums konnte man auch eine Ahnung von der Kunst, sich fallen zu lassen bekommen. The Art Of How To Fall - Das neue Album von Rebekka Bakken.

Unter dem Motto „Nothern Lights“ fand zum vierten Mal „Strings Of Fire“ im Leipziger Gewandhaus statt, ein Festival das die Grenzen zwischen den Genres aufzuheben und auf höchstem Niveau Klassik, Jazz, Rock, Pop, Weltmusik zu einem Gesamterlebnis zusammenzuführen vermag. War bereits die erste Ausgabe 2001 auf Anhieb ein voller Erfolg, Inhaltlich wie auch gemessen an den Besucherzahlen, so gewinnt das Festival mit jedem Jahr stärkere Kontur, werden mehr und mehr Themenschwerpunkte gesetzt.

In diesem Jahr wurde einer der mitwirkenden Künstler selbst ins Zentrum gerückt. In vier verschiedenen Formationen nahm er ganz unterschiedliche Rollen an, als Bassist, Komponist, Arrangeur und Begleiter – Lars Danielsson. Am letzten Festivalabend gehörte er neben Eivind Aarset, Xavier Desandre Navarre und Roberto di Gioia zur Begleitband Rebekka Bakkens.

Mit seinem sehr lyrischen aber dennoch groovenden Spiel hat sich Lars Danielsson längst einen Namen in der internationalen Jazzszene gemacht und ist als Solist wie als Begleitmusiker geschätzt. Für das dänische Rundfunkorchester RUO Orchestra arbeitete er als Komponist, Arrangeur und Produzent. Sein eigenes „Lars Danielsson Quartet“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Und auch an diesem Abend machte der vielseitige Künstler deutlich, warum er als einer der aufgeschlossensten und vielseitigsten Bassisten gilt, bei dem exzellente Spieltechnik mit Neugier auf neue Klangmöglichkeiten und modernen Interpretationsformen zusammentrifft.

Die Band formierte sich ausschließlich für das Leipziger Konzert mit Rebekka Bakken. Eivind Aarset gilt als einer der kreativsten und aufregendsten Vertreter der norwegischen Jazz-Underground-Szene. Kein Wunder, veranlasste ihn die Entdeckung der Musik Jimmy Hendrix’ im Alter von Zwölf zum Kauf seiner ersten Gitarre und orientierte er sich in der Folge immer wieder an Entwicklungen, die seinerzeit musikalisch und technisch außerordentlich innovativ waren. Auf diese Weise ließ er sich zwangsläufig von Deep Purple oder Pink Floyd ebenso inspirieren wie später von Miles Davis, dem Mahavishnu Orchestra oder der TripHop-, Ambient- und Drum’n’Bass-Szene. Seine Karriere startete er in einer Heavy-Metal-Band. Später traf er auf den Musiker und Produzenten Bugge Wesseltoft.

Der in Paris geborene und im Süden Frankreichs aufgewachsene Schlagzeuger Xavier Desandre Navarre begann mit vierzehn Jahren eine klassische Perkussion-Ausbildung und ging ein Jahr später an eine Musikschule, die in Richtung Jazz und Weltmusik ausbildet, um den brasilianischen Stil sowie das Schlagzeugspiel zu studieren. 1987 wurde der Perkussionist von Laurent Cugny eingeladen, in dessen Big Band „Lumiére“ eine Tournee mit Gil Evans zu bestreiten. Dieser Durchbruch brachte ihm in der Folge zahlreiche Engagements bei solch hochkarätigen Musikern der Jazz- und Weltmusik-Szene wie Charlie Haden oder Manu Dibango.

Am Flügel lebte sich ein kleiner Mensch groß aus. Roberto Di Gioia, in Mailand geboren, im Süden Deutschlands aufgewachsen, gehört zu den gern gebuchten Pianisten, die am klassischen Piano ebenso wie an den elektronischen Keys, im Nu-Jazz ebenso wie im Rock innovatives Spiel und geniale Sounds zu bieten haben. Klaus Doldinger’s Passport war für ihn die Startrampe seiner Karriere. Das feste Mitglied der Till-Brönner-Band arbeitete seither u.a. für Johnny Griffin, Albert Mangelsdorff, Udo Lindenberg oder Helge Schneider. Seine eigenen Projekte, die mit Wolfgang Haffner gegründete „Zappelbude“ oder das „Marsmobil“ sind nicht weniger spektakulär. Als Quintessenz seines bisherigen Schaffens gilt das bei ACT erschienene „Marsmobil“-Debüt „Strange World“, an dem nun der einstige Mentor Klaus Doldinger aber auch beispielsweise Nils Landgren, Frank Möbus, Till Brönner und Joo Kraus ihren Beitrag zu dem Nu-Jazz Erlebnis geben.

Von diesen spieltechnisch exzellenten, musikalisch innovativen und ebenso einfühlsam wie spannungsreich begleitenden Musikern begann die schon mal optisch beeindruckende Sängerin ihr Programm. „Ich habe nie gesagt, dass das Jazz ist“ oder „Von Jazz habe ich keine Ahnung“, behauptet Rebekka Bakken zuweilen, jeder potentiellen oder reellen Kritik den Wind aus den Flügeln nehmend. Bezüglich der aktuellen Tournee, die sie mit Takura Nakamura, Dieter Ilg, Martin Koller und Jojo Mayer unternimmt, äußerte sie in einem Interview: „Wir identifizieren uns nicht mit Jazz, Pop oder irgendeiner anderen Form von Musik und sind deshalb frei, uns von den Songs sagen zu lassen, wo es langgeht.“ Und genau das tut den Songs gut, lässt sie zu etwas sehr Speziellem und zu sehr persönlichen Lebensäußerungen ihrer Autorin werden. Zusammen mit der Leipziger Special-Formation stellte sie einige Titel ihres Debüt-Albums „The Art Of How To Fall“ vor und lieferte noch einige weitere Kostproben ihres Schaffens, die sich musikalisch zwischen verjazztem Pop, zauberhaft arrangierten Songs und norwegischer Folklore bewegten.

Das einzigartige an Bakkens Gesang ist, mit welcher Selbstvergessenheit sie in die eigene Gefühlswelt abtaucht um tief aus dem inneren Schätze heraufzubefördern, die sie vorsichtig ausbreitet und betrachtet, wie ein kleines Mädchen, dass verzaubert vor seinen bunten Glasperlen sitzt. Diese Stimmungen weiß sie über ihre mit Leichtigkeit drei Oktaven beherrschende Stimme zu vermitteln. Unglaublich wie sie dabei den Charakter ihrer Stimme modifiziert. Gefesselt wie von der Story eines großen Romans oder der Dramatik eines beeindruckenden Theaterstückes erlebt der Zuhörer ihre Geschichten. Ein erhöhter Adrenalinspiegel und Gänsehaut bleiben bei soviel Spannung und Gefühl nicht aus. Den sensiblen aber stets sehr intensiven Gesang hüllten die Instrumentalisten in einen Kokon aus flirrenden Sounds, geheimnisvoller Percussion, schwebenden Trommelklängen, betörend schönen, gezupften Basslinien, dem leisen Gesang einer weinenden Slide-Gitarre. Was Eivind Aarset an seinen Gitarren und mittels eines Micro-Synthesizers und diversen Effekten veranstaltete, war aufregend und kaum mehr nachvollziehbar. Roberto Di Gioia gab sich seinerseits nicht zufrieden mit den herkömmlichen Klangmöglichkeiten eines Flügels. Die Saiten zuweilen zupfend entlockte er seinem Instrument auch die letzten Noises.

Wenn bei der dänischen Jazzsängerin Caecilie Norby am Vorabend die Funken nur so flogen, so erlebte man mit Rebekka Bakken zum Abschluss eines außerordentlichen Festivals die Intensität und Wärme heißer Glut und die züngelnden Flämmchen, die bläulich rot über ihr liegen. Das einzige Manko – nach einer dreiviertel Stunde war der Tagtraum bereits vorbei und man hatte das unbestimmte Gefühl, dass noch etwas fehlte. So ging man hinaus in die Nacht, den Traum zu suchen, den man so abrupt verlor.

Auf dem bei Verve erschienenen Debüt-Album Rebekka Bakkens kann man ihn wiederfinden. Schön und den Kauf lohnend ist auch die Coverart von „The Art Of How To Fall“.

 

pepe

 

mehr bei LE-Nightflight:

 

> Hülsmann Trio + Rebekka Bakken 21. Februar 03, Moritzbastei - LE

 

 

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