| ||||||
Zinoba Sonntag 04. April 2004 | ||||||
![]() |
||||||
Merkwürdig. Da gibt es
manchmal etwas, das geht nicht einfach unbemerkt an einem vorüber, da
ist was dran, das reizt. Oft weiß man gar nicht, was es ist, ob
man’s gut findet, ob’s einen stört. Es hat was spezielles. Aber
irgendwie stört es schon. Man weiß noch nicht richtig, was man davon
halten soll. Man nennt es merkwürdig und optioniert dabei schon mal
auf Ablehnung. Da ist es doch verwunderlich wenn einer wünscht, eine
Stadt möge merkwürdig bleiben. Merkwürdiger Mensch! Auch Menschen
kann man wünschen merkwürdig zu bleiben. Im eigentlichen Sinne des
Wortes mit Sicherheit einer der besten Wünsche. Und in diesem Sinne wünscht
man ‚Zinoba’ merkwürdig zu bleiben. „Man weiß es nicht genau.“ Bedeutungsschwanger und nachdenklich sprach Marco Schmedtje die Worte. Man wusste es nicht genau und es klärte sich auch nicht auf, ob Christine unter den Anwesenden weilte und die Grüße ihres Dresdner Freundes entgegennehmen konnte. Man weiß es nicht genau. Auch nicht, ob es ihn und die Grüße überhaupt gab. Egal. Der Abend war ohnehin voller Geschichten. Und auch deshalb war es ein wunderbarer Abend. Um ehrlich zu sein, es wäre auch ein schöner Abend geworden, wenn Jan Plewka zwei Stunden nur erzählt hätte. Man hätte ihm gerne zugehört. Es wäre kurzweilig gewesen, amüsant und hätte gut getan. |
||||||
![]() |
||||||
Die erste Geschichte – und mit Sicherheit wahr – erzählte er, um zu erklären, was es ihm bedeutete, jetzt Diane ansagen zu können. Sympathisch nervös suchte er die Worte zusammen, um die Einmaligkeit dieses zufälligen Wiedersehens in Irland zu beschreiben. Damals, an einem irischen Regentag gab’s das Versprechen, sie bei der nächsten Gelegenheit mit auf die Tour zu nehmen. Hier wurde es eingelöst. Diane Wegmann – ein „Lemmonbabe“, Musikerin mit eigener Band - aus Logistikgründen war sie mit ‚Zinoba’ solo auf Tour. Das nach ihren Worten „miserable Gitarrenspiel“ machte sie mit wunderschönen Popsongs, einer unter die Haut gehenden, interpretationsstarken Stimme und einem warmen, zauberhaften Timbre wett. Fernab der Banalität drehten sich die Inhalte ihrer eigenen Titel wie „Sonnenscheinscheintag“, dem der Freundin gewidmeten „Die Welt dreht sich“, „Von Zeit zu Zeit“ oder „Seltsam“ um das Alltägliche. Sie sang von Lebenswegen, von Haltungen, von Freuden, von Zweifeln, von Mut. Dass sie immer wieder besonders gern nach Leipzig in die Moritzbastei kommt, dass sie sich hier bei dem Leipziger Publikum besonders wohl fühlt, dass sie sich jedes Mal fast zwanghaft in den alten Wänden der Bastei mit einigen Kritzeln verewigen muss, war man gern bereit zu glauben. Begeistert hörten die Leute ihr zu und ließen sie nicht ohne Zugabe gehen. |
||||||
![]() |
||||||
Nach kurzer Umbaupause kamen sie nun - ‚Zinoba’. Frontmann Jan Plewka, schon bestens bekannt durch seine frühere Band ‚Selig’ aber auch durch die Tour mit ‚Keimzeit’, bei der er im vergangenen Jahr als Gast-Sänger mitreiste, fing gleich wieder mit erzählen an. Dass man am Schluss dieses Textbeitrages nicht ganz den Sinn und Zusammenhang verstand, war völlig bedeutungslos. Die charmante Art und Weise und die versteckten Statements zwischen den Zeilen, mit denen er vorgetragen wurde, machten ihn wertvoll. Amüsant und interessant war es, von einer möglicherweise überhaupt nicht existenten Liste der Reiseutensilien der Queen zu erfahren. Im Endeffekt wissen wir nun, dass es Herr Plewka in den Monaten mit ‚R’ im Namen vermeiden muss, sich auf den Kantstein zu setzen, um seinen Blasenproblemen vorzubeugen. Tatsächlich wurde natürlich in der Hauptsache Musik gemacht, wurde vorwärts gerockt. Dazu hatte sich die Stammbesetzung Jan Plewka (Gesang), Marco Schmedtje (Gitarre) und Stephan Eggert (Schlagzeug) den Bassisten Dirk Ritz, den Gitarristen Dinesh Ketelsen und den Perkussionisten Pablo Escajola eingeladen. | ||||||
![]() |
||||||
In dieser Besetzung wurde auch die gerade erschienene Platte ‚Zinoba’ aufgenommen. ‚Zinoba’ gibt es noch kein halbes Jahr. Dass die Crew dennoch gut eingespielt schien, war kein Zufall. Schließlich machten Plewka und Eggert schon vier Jahre lang bei ‚Selig’ zusammen Musik. Marco Schmedtje war bei Plewkas Soloprojekt mit dabei und arbeitete auch mit Niels Frevert, einem - wie Dinesh Ketelsen- ehemaligen „Nationalgaleristen“. Nach der Trennung gingen die Seligen in verschiedene Richtungen. Leo Schmidthals wurde nach seinem Musikstudium von Franz Plasa als Studio-Bassist und Arrangeur verpflichtet. Keyboarder Malte Neumann und Gitarrist Christian Neander hatten kurze Zeit das gemeinsame Projekt ‚Kungfu’ am Start. Neumann stieg später bei einer Musik-Promotion Agentur ein. Songwriter und Gitarrist Neander stürzte sich zusammen mit Singer/Songwriter Nils Frevert in ein neues Projekt. Erst 2003 veröffentlichten sie ihr Album „Seltsam öffne mich“. Doch so schwierig sich Umwege auch gehen mögen, es gibt Menschen, die haben keine Chance an ihnen vorbeizukommen. Sie stolpern auf steinigen Pfaden und freiwillig oder unfreiwillig ist dann kaum mehr auszumachen. Wichtig alleine ist – es war für sie der einzig gangbare Weg. Zum Schluss sind sie an das selbe Ziel weiter gelaufen, aber ist es wirklich noch das selbe Ziel? Oder ist es längst viel wertvoller? Jan Plewka ist den steinigen und lange Zeit scheinbar erfolglosen Weg gegangen, um endlich mit ‚Zinoba’ den legitimen Nachfolger von ‚Selig’ auf völlig neuem Niveau zu kreieren. | ||||||
![]() |
||||||
Musikalisch und textlich knüpfen sie an den Selig-Traditionen an. Der Vergleich drängt sich auch aufgrund der unverwechselbaren Stimme des Sängers auf, die warm, bluesig, gefühlstief für den Gänsehauteffekt sorgt. Doch der Gitarrenrock ‚Zinobas’ ist direkter, kompakter und spielt mit elektronischen Effekten. Zusammen groovten sie wie die Hölle und schufen einen ungeheuer dichten Sound. Mitunter wäre mehr Raum für die tiefsinnigen und poetischen, natürlich deutschen, Texte wünschenswert gewesen. Die leben von zahlreichen Metaphern und legen doch Haltungen, Einstellungen sehr deutlich frei. Wenn die Trostlosigkeit überwiegt, wenn nicht mal mehr der Glaube an Gott tröstlich sein kann, wenn sich die Regeln auflösen, die Orientierung verloren geht, die Veränderungen schneller passieren, als das Verstehen ihrer überhaupt möglich ist, gibt es nur noch eine Chance – „Seid was ihr scheint“. „Und wenn Gott sich von uns abgewendet hat, dann verschwende dich in Frieden und in Aufrichtigkeit.“ Denn auf die Vergebung ist nicht mehr zu hoffen. Es ist dann an der Zeit, seine Seele rein zu halten, keine Schuld auf sich zu laden, selbst den Teufelskreis zu durchbrechen „jeder für sich“. Ehrlich, wahrhaft, echt zu sein ist Jan Plewkas grundsätzliche Forderung, die sich nicht nur durch sämtliche Songtexte zieht, sondern die er auch an sich und sein Leben zu stellen scheint. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass die Texte zum großen Teil Produkt der Reflektion der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse sind. | ||||||
![]() |
||||||
Wenn Selig seinerzeit als eine der hoffnungsvollsten Deutschrock-Bands galt, so tut dies ‚Zinoba’ mit Sicherheit heute. Die Pläne sind schließlich auch schon langfristig geschmiedet. Der Vertrag mit dem Label Four Music, nach Jan Plewka „die beste Plattenfirma die man kriegen kann“, sieht noch acht weitere gemeinsame Platten vor. Wenn diese mit den gleichen Intensionen entstehen wie das Debüt, mit der selben Energie, Intensität, Ehrlichkeit und Tiefe – dann muss man vor den nächsten Jahren nicht bange zu sein. pepe |
||||||
![]() |
||||||
Copyright © le-nightflight.de | ||||||
[Home] [Aktuell] [Feature] [Archiv] [Links] [Kontakt] |