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LE-Nightflight

Bericht

Jean Paul Bourelly

Dienstag 30. November 2004

Objekt 5, Halle/Saale

 

Pharoah Sanders nannte ihn überschwänglich „the greatest guitar player on the planet“. Allein von der Körpergröße her betrachtet könnte das realistisch sein. Bezogen auf sein Gitarrenspiel ist er mindestens einer der bedeutendsten.

Und das, obwohl er zur Gitarre erst mit 14 griff, nach einigen Jahren Piano- und Schlagzeugunterricht, inspiriert durch Jimi Hendrix.

Die Familie stammte aus Haiti. Yoruba Musik vermittelte ihm daher seine Großmutter während er in den Sechzigern in Chicago Muddy Waters Blues aufsaugte. Der Vater begeisterte sich derweil für alles, was in Amerika angesagt war von Peter Gun bis Count Basie. Sein Bruder Carl machte ihn dann mit Rap, R&B bekannt und beeinflusste ihn durch seine sehr experimentelle Art, mit dieser Musik umzugehen, während Bruder Marc immer wieder Dinge beispielsweise von Miles Davis oder dem Flamenco Gitarristen Manetus De Plata analysierte.

Mit 19 Jahren ging Jean Paul Bourelly nach New York. Und von da an bekam er viele Chancen unter anderem bei Muhal Richard Abrams, Elvin Jones, Roy Haynes, McCoy Tyner, Pharoah Sanders, Cassandra Wilson, Miles Davis. Am meisten beeinflusst habe ihn die Zusammenarbeit mit Elvin Jones, den er in einem Interview den großartigsten Schlagzeuger unserer Zeit nannte. Bei ihm bekam er die Gelegenheit Jones afrikanische Polyrhythmik auf experimentelle Weise zu studieren. Zuweilen entstand so „wirklich neue Musik“. Von dem avantgardistischen Trompeter und Saxophonisten Olu Dara lernte er, sich mit wenigen Noten auszudrücken und die Töne atmen zu lassen ohne den Fluss mit vielen Skalen zu überfrachten. Dieser spirituelle Background erklärt gleichzeitig Bourellys unglaubliche stilistische Vielseitigkeit, seine Begeisterung für verzwickte polyrhythmische Gebilde wie auch seine Experimentierfreudigkeit und den großartigen Einfallsreichtum.
Im November bestritten Jean Paul Bourelly und seine Band die dritte der insgesamt 3 Take Five Veranstaltungen im Hallenser Objekt 5. „Vibe Music“ heißt sein derzeitiges Tourprojekt und das neue Album. Die coole Location des Objekt 5, über die Bourelly sich freute, war gut besucht. „Vibe Musik“ – Jean Paul Bourelly kündigte gleich zu Beginn an, worum es gehen sollte: um Musik sehr funky, auf dem Blues beruhend, Jazz, auch Freejazz integrierend. Und dann ging’s auch schon los und ließ, abgesehen von einer kurzen Pause, bis zum Schluss keine Lücke.
Eine super eingespielte Band hervorragender Instrumentalisten versetzte das Publikum regelrecht in Staunen. Zwei und eine halbe Stunde lang sprühten sie vor musikalischer Ideen und beanspruchten die ganze Aufmerksamkeit. Kraftvoll und treibend lief der Groove ungebremst durch, trotz der endlosen Kapriolen, die sich Schlagzeuger Felix Sabal Lecco und Bassist Melvin Gibbs auf ihren Instrumenten erlaubten, während Herr Bourelly mit seiner Gitarre genüsslich in andere Sphären entrückte. Ganz nebenbei wirbelten die Drumsticks wie bei einem Jongleur durch die Luft und der Bassist war trotz diszipliniertem, straighten Groove frei genug, um in klasse Läufen funky Soundelemente aufblitzen zu lassen. Die Band baute Spannungen auf, die der Leader mit seinen stürmischen Gitarrenläufen und Bendings zum Höhepunkt führte und langsam wieder auflöste, um das Stück ruhig ausklingen zu lassen. Rhythmus pur erlebte man in seinem Spiel, gerade auch in den stimmungsvollen, leisen Parts auf seiner Akustischen Gitarre. Emotionsstark waren Bourellys tiefe, bluesige Stimme sein Spiel und das seiner Bandmitglieder. 

Begeisterungswürdig waren die Intensität des Spiels und die Komplexität der Kompositionen, die vertrackten Rhythmen sowie die Kraft und Brillanz mit der dies alles vorgetragen wurde. Aber andererseits schien diesen großartigen Ideen auch Raum zu fehlen und dem Zuhörer die Möglichkeit, alle die Eindrücke aufzunehmen und zu verarbeiten und damit ganz in den Genuss der Musik gelangen zu können. Wenn es also etwas zu vermissen gab, dann war es eine gewisse Ungezwungenheit und Leichtigkeit. Obwohl freilich Jean Paul Bourellys Perfektion und Virtuosität wie auch die seiner Mitmusiker außer Frage stehen und niemals den Eindruck von Mühe aufkommen ließen.

Und so bleibt den dabei Gewesenen noch viel über das Gehörte zu rätseln und darüber, wie es Jean Paul Bourelly und seine Band geschafft haben, mit dieser Leichtigkeit, Logik und Perfektion so viele Stile, Sounds und Spieltechniken miteinander zu verquicken und wo eigentlich sie diesen unendlichen Ideenreichtum herholen.

pepe

 

 

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