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LE-Nightflight

Bericht

15. Tanz & Folk Festival 2005

01. - 03. Juli 2005

Rudolstadt

Die Ruhe vor dem Folk-Sturm

 
Edelereignis mit de luxe-Wetter
Rudolstadt erlebte das 15. tff 
Für le-nightflight war Folkskorrespondent Olaf Schulze dabei


Das war schon fast unfair. Da will sich der Rezensent nach einem verregneten Tag und beschwerlicher Anreise im Rudolstädter Handwerkerhof auf das abendliche Sonderkonzert einstellen – und dort ist es zum Donnerstagabend so rammelvoll wie sonst erst am Samstagnachmittag, wenn die Besucher mit den Tageskarten zu den knapp 20.000 Dauergästen stoßen und für lustiges Gedränge in der Innenstadt sorgen.

Das Fest begann und es geschah etwas Sensationelles: der Regen hatte aufgehört und kam bis zum Sonntagabend nicht wieder. Jedenfalls nicht zu Zeiten, da auf den zwanzig Bühnen und diversen Nebenschauplätzen agiert wurde. In einem Anflug von entwaffnender Ehrlichkeit hatten die Organisatoren im Programmheft eingestanden, dass zum tff traditionell Mistwetter vorherrscht. Das Fest 2005 hob sich von dieser düsteren Prognose wohlwollend ab. Was auch gleich mit einem neuen Besucherrekord honoriert wurde. 65.000 Schaulustige wurden gezählt, 5.000 mehr als in den letzten Jahren.

Der Häuptling der Chieftains - Paddy Mohoney

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Das Sonderkonzert zum 15. tff in Rudolstadt geriet zu einem Edelereignis für de luxe Fans. Paddy Moloneys Häuptlinge des Irish Folk THE CHIEFTAINS entfachten vom ersten Titel an Begeisterungsstürme beim zahlreich erschienenen Publikum. Kongenial unterstützt vom galizischen Gaitha-Virtuosen Carlos Nunez, der sich freute wie ein kleines Kind, mit den „Meistern“ musizieren zu dürfen. Sein inspiriertes Dudelsackspiel komplettierte einen perfekten Abend, der auch MARIANNE FAITHFULL auf die Bühne lockte, um das wohl schönste Liebeslied der grünen Insel „Love is teasin’ “ mit ihrer kehliger Stimme zu intonieren.

Marianne Faithful

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Der pompösen Eröffnung des Festes folgten am Freitag zwei absolute Highlights auf der Burg. Erst gaben sich ELÄKELÄISET, die finnischen Erfinder der Humppa-Musik die Ehre. Humppa meint nichts anderes, als sich einen x-beliebigen Popmusiktitel vorzunehmen, ihn in den polkatauglichen Zweivierteltakt zu pressen und die Texte mit einem Gemisch aus Finnisch und „Humppa“-Rufen zu ersetzen. Das ergibt für den Hörer interessante Ratespielchen, welchen bekannten Titel er gerade hört, aber durch das Arrangement nicht wiedererkennen kann. Tausende Fans der durchgeknallten Finnen feierten ihre Lieblinge ausgelassen pogend. Anschließend erfreute uns die gerade erst in Rudolstadt eingetroffene Band RANARIM mit feinstem schwedischen Folkrock, der durch den Wechselgesang der Sängerinnen Ulrika und Emma gekrönt wurde. Schwedische Sängerinnen sind im übrigen auffallend blond und werden sich wohl auch zukünftig die Haare nicht rot färben.

Viel zu hübsch für rote Haare - schwedische Sängerinnen bei Ranarim

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Nach einem langen, musikalischen Abend kann der im Handwerkerhof einquartierte Berichterstatter froh sein, wenn das von den erschöpften, aber glücklichen Musikern zurückgelassene Publikum nicht die ganze Nacht lautstark durchsingt.

Herausstechendes Instrument des Festivals sollte die elektrisch verstärkte Gitarre sein und das funktionierte prächtig. Gleich acht Sologitarristen aus aller Welt waren zu den Aufführungen „magic instrument“ angetreten und widerlegten die eine der drei Gitarristenlügen „Ja, ich habe geübt“. Sie hatten schon die ganze Woche über in Rudolstadt geprobt. Wirklich. Die anderen beiden Lügen des E-Gitarristen blieben aber auch nach ihren Konzerten bestehen: „Ja, ich habe schon leiser gedreht“ und „Nein, ich will kein Solo spielen“.

Humppa und Wodka-Juice: Extrempolka mit Eläkeläiset

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In kaum zu überbietender Qualität wissen auch die Gitarristen von TRI CONTINENTAL ihr Instrument zu handhaben. Was die beiden kanadischen Gitarristen und ihr madegassischer Kollege auf der Burgterrasse boten, gehört wohl zu den herausragenden Ereignissen des 15. tff. 
Die Sonderausstellung im Schillerhaus „Alles zum Wohle des yeah, yeah, yeah! – E-Gitarren und Rockmusik in der Zone“ mit (n)ostalgischen Gitarren Klingenthaler Bauart und köstlichen Röhrenverstärkern aus den Kindertagen der Beatmusik war eine Augenweide und unterstützte das Ansinnen der Festivalleitung eindrucksvoll, uns für dieses Instrument zu sensibilisieren.

Weltmusikpreisträger in action: Wolfgang Meyering von Malbrook

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Es gäbe noch viel zu berichten von begeisterndem, jungen belgischen FolK (AEDO), von den Weltmusikpreisträgern MALBROOK oder BIERMÖSL BLOSN, von den Desertrockern GIANT SAND, die Tausende in den Heinepark lockten oder vom pfiffigen ORIGINAL DANISH POLCALYPSO ORCHESTA, das Polka und Calypso ineinander gerührt und geschüttelt hat, wie einen ordentlichen Rumcocktail. Oder von der Tanzfestgedächtnisbühne, auf der neben guter Musik gestandener Folk- und schwungvollen Hüpfern gestandener Tanzveteranen meines Erachtens auch verbotene Ehrenzeichen einer untergegangenen Republik gezeigt wurden. 
Aber ich will ja niemanden denunzieren. Schon gar nicht die Veranstalter, die sich mit viel Liebe zum Detail dieser Erinnerung an eine fünfzigjährige Tradition gewidmet haben. Erwähnen sollte ich noch aus dem Land des Jahres die BANDA FURIOSA, eine Art brasilianische Marching Band, obwohl die Brasilianer natürlich eine ganz andere Auffassung vom Marschieren haben als wir. Bei denen wird vom Halsansatz bis in das letzte Glied der kleinen Zehe alles bewegt. Und wahrscheinlich auch gleichzeitig! Kein Wunder, dass sie nach ihrem musizierenden Abgang von der Marktbühne Samstagnacht einen Publikumsschwanz von mehreren Kilometern hinter sich herzogen. Ich hoffe für die verzückten Zuschauer nur, dass die Banda Furiosa nicht in Saalfeld untergebracht war und direkt zum Hotel marschiert ist.

Artis the spoonman kann jederzeit seine Suppe selbst auslöffeln

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Der abschließende Sonntag bot noch einmal volles Programm auf allen Bühnen. So auch auf der Burgterrasse, wo sich eine erwartungsfrohe Menschenmasse am Nachmittag zum Auftritt der Barden Dieter Beckert und Jürgen B. Wolff versammelte. Die brillierten als DUO SONNENSCHIRM mit ihrer bittersüßen, schwarzhumorigen Duolektik. Balladen und große Werke aus ihrem neuen Album stehen in bester brachialromantischer Tradition ihrer früheren Arbeitsphasen. Und nomen es omen, die Sonne brach sich Bahn durch die Wolkendecke, die Schirme mussten trotz körperlicher Beeinträchtigungen durch heftige Lachkrämpfe geöffnet werden, um unbarmherzig niederbrennende UV-Strahlen abzulenken.

Vereinzelte Sonnenschirme öffnen sich vorne rechts
beim gleichnamigen Duo auf der Burgterrasse

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Mit der großen Abschlussveranstaltung am Sonntagabend auf dem Marktplatz des niedlichen Residenzstädtchens ging ein Festival zu Ende, das in seiner atemberaubenden und Füße belastenden Ausprägung ganz in der Tradition seiner Vorgänger stand. Es wird als eines der guten in die Annalen eingehen, weil auch das Wetter dieses Jahr stimmte.

Wer immer für das Wetter beim 15. tff (das nun roots folk worldmusic bedeutet) verantwortlich war, hat einen großartigen Job gemacht. Und deshalb waren wir dieses Jahr auch nicht tff (triefnass und fertig, aber fröhlich), sondern tff (trocken, friedfertig und flippig).

Olaf Schulze

 

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